Workcamp Malawi – Senga Bay 2011

In einer spannenden, aber auch sehr heiklen Phase besuchten wir das kleine Land Malawi in Südostafrika.

Keine vier Wochen war es her, dass bei einer Demonstration gegen den Präsidenten Bingu Wa Mutharika und sein Kabinett 19 Menschen ihr Leben liessen. Die Lage war ernst und wir checkten im Vorfeld der Reise jeden Tag, ob das Auswärtige Amt die Einreisebestimmungen für Malawi ändert, ob wir unsere Reise überhaupt beginnen dürfen.

Dann endlich stehen wir auf dem Kamuzu International Airport in der malawischen Hauptstadt Lilongwe und es beginnt ein toller Monat. Die Proteste und Kontroversen um „Bingu“ werden uns jedoch ständig begleiten, ob in Presse, oder hautnah bei Wahlkampfveranstaltungen, auch die Menschen vor Ort berichten über ihre tiefe Unzufriedenheit mit ihrem Staatsoberhaupt. Am konkretesten wird sich die Misere des Despoten auf die Spritpreise auswirken. Schon kurz nach Ankunft müssen wir auf dem Schwarzmarkt Benzin kaufen, welches durch die Full Shortage bis zu drei Euro pro Liter kosten kann. Aber wir brauchen dringend Benzin, steht uns doch eine lange Reise in den äußersten Norden bevor.

Wir wollen nach Chitipa, ins Dreiländereck zu Sambia und Tansania. Das sind eigentlich nur 700 Kilometer, aber afrikanische Kilometer sind nicht gleich europäische. Praktisch ist in Malawi nur eine Straße asphaltiert, nämlich die alte M1, welche auch Teil der historischen Strecke Cape-to-Cairo ist. De facto benötigen wir zwei Tage, mit Übernachtung im touristischen Fischerstädtchen Nkhata Bay. Dort baden wir im Lake Malawi und tanken Energie für die zweite Hälfte unserer großen Tour. Am dritten Tag schließlich um circa ein Uhr nachts erreichen wir, nach sich stetig verschlechternden Straßenverhältnissen - gegen Ende meint man wir fahren nur noch in Flussläufen - unsere Unterkunft für die nächsten drei Wochen. Ziemlich abgelegen hier in Mughese, im Bergland von Chitipa. Doch das Parishhouse, in dem wir untergebracht sind, macht einen guten Eindruck. Fließend Wasser und Strom sind vorhanden, nur die Mädchen haben noch Probleme die zahlreichen und recht großen Spinnen zu akzeptieren.

Die Gemeindepfarrer und deren Angestellten sind umgänglich und man kommt schnell ins Gespräch. Am nächsten Morgen treffen wir uns das erste Mal mit unserer Partnergruppe und sind redlich bemüht das Eis zum Brechen zu bringen. Mit Spiel, Tanz und Gesang klappt dass dann auch ganz gut. Die nächsten Wochen werden wir viel Zeit miteinander verbringen, voneinander lernen und auch einige Unterschiede entdecken. Wir werden die Mitglieder der Kolpingjugend Zuhause bei ihren Familien besuchen, zusammen mit ihnen den traditionellen Nzima, Maisbrei herstellen, den es täglich zusammen mit Bohnen und manchmal Mangold gibt. Für die deutsche Gruppe gibt es aber zusätzlich noch Reis, Kohl, Tomaten, manchmal Ei und viel, viel Geflügel, selten Ziege. Kulinarisch gesehen wird die Zeit hier ein echtes Geschmacksfest, dennoch greifen einige Gruppenmitglieder hin und wieder zum vertrauten Nutellaglas. Die Vielfalt an Essbarem scheint hier unbegrenzt: Bananen, die nach Kiwi schmecken, Kochbananen, Süßkartoffeln, Wurzeln wie Yams, Kassava, Zuckerrohr, Groundnuts sind rund um die Uhr verfügbar.

Hier im Norden hat Malawi eine fast tropische Vegetation. Zusammen mit unseren „locals“ kümmern wir uns auch um einen kleinen Acker, der extra für die Kolpinggruppe angelegt wurde und können viel Wertvolles aus der Gartenarbeit mitnehmen. Bewässern, düngen, ernten, umgraben. Kohlrabi, Kartoffeln und Mangold pflanzt man hier an. Nachmittags, kurz vor Sonnenuntergang, der hier südlich des Äquators bereits um etwa 18 Uhr stattfindet, treffen wir uns oft zum Netball-Spiel. Nachdem wir mühsam die Regeln gelernt haben, macht das Spiel, welches dem Basketball verwandt ist großen Spaß. Die improvisierten Korbanlagen sind genial, die Kinder bauen sich sogar ihre Bälle selbst, aus zusammengebundenen Plastiktüten und Sand.

Auch der Kirchbesuch soll nicht zu kurz kommen und im wahrsten Sinne des Wortes werden wir uns dort unsere Hintern wund sitzen. Gottesdienste dauern hier in der Regel um die drei Stunden. Dabei sind diese auch körperlich nicht ganz unanstrengend. Man tanzt, singt, lässt den Alltag hinter sich. Wir bekommen das Gefühl, die Menschen gehen wirklich gerne in die Kirche. Das Stilmittel der Ironie benützt Pfarrer und Workcamp-Boss Steven gerne und häufig und die Gemeinde liegt ihm zu Füßen.

Standard war der wöchentliche Mittwochsmarkt im nahegelegenen Misuku. Dort kauften wir Lebensmittel, flanierten und feilschten. Weitere Ausflüge führten uns zum circa 6 km entfernten Songwe River, der die natürliche Grenze zu Tansania, dem ehemaligen Deutschostafrika, bildet. Wir werden mit atemberaubenden Aussichten belohnt. Lianenschwingen à la Tarzan und Affensichtung inklusive. Fantastisch auch die „Traditonal Dances“, im regionalen Dialekt „Mapenenga“. Diese finden jeden Samstag in einem anderen Dorf statt und sind wahre Pilgerstätten für die ganze Umgebung. Man muss es erlebt haben: Aus allen Himmelsrichtungen strömen dann die Einheimischen die Berge hinunter ins Tal und treffen sich um den althergebrachten Tänzen beizuwohnen. Wir bekamen sogar das Privileg in den Kreis, der um die tanzenden Gruppen angelegt war, einzutreten. Wir tanzten relativ unbedarft, aber den Blicken der Einheimischen zufolge, machten wir alles richtig, auch wenn Einigen ein Schmunzeln auf dem Gesicht stand. Unser Tanzstil war wohl doch etwas extravagant. Vermutlich kann man die Anzahl der Weißen, die diese Menschen in ihrem Leben gesehen haben an einer Hand ablesen. Wir waren schon etwas Besonderes. Nach den Tänzen durften wir mit den Dorfältesten „Chipumu“ trinken. Selbstgemachtes Bier aus Mais hergestellt und aus schäbigen Eimern durch ein Bambusröhrchen getrunken. Wir fühlten uns sehr geschmeichelt, die Männer wussten sogar, dass das deutsche Staatsoberhaupt den Titel „Chancellor“ trägt.

Außerdem besuchten wir die beiden nächstgelegenen Provinzstädtchen Chitipa und Karonga. An Lebensmitteln findet man hier alles was das Herz begehrt, die Marktplätze sind groß angelegt, die Menschen glücklicherweise vom Tourismus noch relativ unverdorben. In Karonga besuchten wir auch das Landesgeschichtliche Museum mit dem genialen Slogan „From Dinosaur to Democracy“. In Anbetracht des katastrophalen Zustandes der Demokratie Malawis müsste man aktuell „..and back“ hinzufügen. Dennoch bot das Museum eine willkommene Abwechslung.

Bald waren die drei gemeinsamen Wochen vorüber und die Farewell Party stand auf dem Programm. Wir wurden reichlich beschenkt, schämten uns fast für die mickrigen Geschenke, die wir mitgebracht hatten. Wir bekamen köstlichen Kaffee, Textilien und auch einfach Bargeld. Am nächsten Morgen brachen wir auf und ließen die Menschen zurück, die wir in so kurzer Zeit lieb gewonnen hatten. Es folgte eine Woche Backpacking durch den Norden Malawis, mit vielen tollen Begegnungen, hilfsbereiten Menschen und abenteuerlichen Verkehrsmitteln auf ebenso abenteuerlichen Straßen. Wir machten eine Buschsafari, bekamen von Ökobauern ein lebendiges Huhn geschenkt und besuchten die Partnergruppe vom vorjährigen Workcamp.

Bleibt nur zu sagen: Workcamp in Malawi - nächstes Jahr wieder!

Teilnehmer*in 2011

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